Ausgewählte biografische Daten zu Prof. Georg Meistermann
1911 Am 16. Juni wird Georg Meistermann in Solingen geboren.
1930-1933 Verlässt in der Unterprima, noch vor dem Abitur, die Schule. Auf Grund seiner besonderen Begabungen wird er ohne Abitur zum Studium zugelassen. Studiert in drei Wintersemestern an der Kunstakademie Düsseldorf bei Werner Heuser, Heinrich Nauen und Ewald Mataré.
1933 Anfang Februar zwangsweise verordneter Abbruch mit Studienverbot an der Kunstakademie Düsseldorf durch die Nationalsozialisten. Im Februar ‘33 wird die erste Ausstellung eigener Arbeiten in Wuppertal-Elberfeld durch die neuen Machthaber geschlossen.
1933-1940 Als freischaffender Künstler in Solingen tätig. Hält sich mit Handlangerarbeiten über Wasser. Von ‘37 bis ‘39 Reisen nach Frankreich, Holland und England, die seine moderne Kunstauffassung nachhaltig beeinflussen. ‘38 erste Glasfenster für die St. Engelbert-Kirche in Solingen-Mangenberg (im Krieg zerstört). Auftrag konnte nur mit einem privaten Stifter ausgeführt werden, weil die Entwürfe als zu modern und „entartet“ von der kirchlichen Bauabteilung in Köln abgelehnt wurden.
1940-1945 Freischaffender Künstler in Solingen. Von ‘40 bis ‘41 und von ‘42 bis ‘43 als Zeichenlehrer am Solinger Gymnasium tätig. Wird vom Schuldienst wegen seines widerständigen Verhaltens entlassen. ‘42 wegen eines angeborenen Armleidens aus dem Militärdienst entlassen, nachdem er zuvor den Eid auf A. Hitler verweigert hatte. Der Münchener Kunsthändler Günther Franke verkauft und stellt heimlich Arbeiten von Meistermann aus. Bei einem Bombenangriff im November ‘44 werden das Atelier und fast alle frühen Arbeiten zerstört.
1945 Von den US-Army zum Kulturamtsleiter der Stadt Solingen berufen, sein Vater lehnt die Berufung zum Bürgermeister wegen der „vielen Nazi-Altlasten“ ab. Berater der Amerikaner am Collecting Point in Marburg.
1946 Erste Einzelausstellung in „Studio“ des Städtischen Museums in Wuppertal.
1948 Beginn der Freundschaft mit dem Literaten Heinrich Böll, dem ehemalig emigrierten Soziologen Prof. Dr. René König und dem ehemalig emigrierten Psychoanalytiker Prof. Dr. Alexander Mitscherlich.
1949 Übersiedlung nach Köln. Verleihung des Karl-Ernst-Osthaus-Preises der Stadt Hagen.
Nach dem Weltkrieg erster großer, glasmalerischer Auftrag für die St.-Markus-Kirche Wittlich. Auf Grund der „dort vorherrschenden konservativ-reaktionären Kunstauffassung aus dem Geist von vor 1945 wird der Auftrag nach Abschluss der Chorarbeiten abgebrochen, weil die Fenster als zu modern“ eingestuft wurden. Inzwischen gelten kunsthistorisch die St.-Markus-Fenster als das mit Abstand früheste Beispiel im deutschsprachigen Raum für den zeitgenössischen Dialog von moderner Kunst und Kirche im Nachkriegsdeutschland.
1950 Mit dem Ölbild „Der neue Adam“ gewinnt Meistermann den vom gleichnamigen amerikanischen Geschäftsmann ausgeschriebenen Blevin-Davis-Preis für moderne Kunst, der seinen internationalen Durchbruch begründet. Mitglied des neugegründeten Deutschen Künstlerbundes.
1951 Kulturpreis der Stadt Wuppertal.
1952 Stefan-Lochner-Medaille der Stadt Köln. Erste profan-monumentale Treppenhauswand (54 qm) in damaligen NWDR, heute WDR, Köln. Beförderte für Meistermann den internationalen Durchbruch und weltweite Anerkennung. Steht seit Jahren unter Denkmalschutz. Beginn der Bekannt- und späteren Freundschaft mit ehemalig emigrierten Willy Brandt.
1953 Gastdozent an der Landeskunstschule in Hamburg. Erste sakral-monumentale Glaswand (240 qm) in der St. Kilian-Kirche, Schweinfurt. Von ‘53 bis ‘55 Leiter der Klasse für freie Graphik an der Städelschule in Frankfurt a. M.
1954 Erstes Fresko-Altarwandbild (200 qm) in der St. Alfons-Kirche in Würzburg. Die „vier Apokalyptischen Fenster“ für das Alte Rathaus in Wittlich weisen als mahnende Werke auf die „apokalyptische Zeit und den mörderischen Geist“ des Nationalsozialismus hin. Sich in dieser Form, nach über 20 Jahren der Restauration, Verdrängung und Verleugnung, in einem öffentlichen Gebäude so früh dem Nationalsozialismus künstlerisch-kritisch zu stellen, sollte lange Zeit in Deutschland einmalig bleiben. Dazu kommt, dass in Wittlich ein besonders engagierter Nationalsozialismus und Antisemitismus gegen die dort ansässige, große jüdische Gemeinde gewütet und diese vollständig zerstört hat. Nach dem Krieg kam kein Jude mehr nach Wittlich als offizieller Einwohner zurück. Diese vier Reiter-Fenster, die Meistermann in Wittlich gegen andere Pläne durchsetzte, gelten weltweit mit zu seinen bekanntesten.
1955 Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. Teilnahme an der I. documenta in Kassel. Von ‘55 bis ‘59 Professur für freie und monumentale Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Ab dieser Zeit regelmäßige Aufenthalte im Zweithaus der Casa Camuzzi in Montagnola, in Nachbarschaft von Hermann Hesse.
1956 Erster Preis für „Das beste Glasbild der Glashütte Mittinger“ in Darmstadt.
1957 Erste abstrakte, monumental-sakrale Glaswand (294 qm) von Meistermann für die Heilig-Geist-Kirche in Bottrop. Diese Glaswand gilt in der internationalen Kunstgeschichte als das früheste Werk der monumentalen Abstraktion im sakralen Raum.
1958 Preis für Glasmalerei auf der Biennale in Salzburg.
1959 Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Teilnahme an der II. documenta in Kassel. Beginn der meditativen, schwebenden, monochromen „Fastentuch“-Ölbilder, die Meistermanns Kunstauffassung bis zum Lebensende beeinflussen sollte.
1960-1976 Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe, zeitweilig auch stellvertretender Rektor.
1961 Übersichtsausstellung anlässlich des 50. Geburtstages im Kunsthaus Lempertz, Köln.
1963 Monumentales Altarfresko (123 qm) für die Gedächtniskirche Maria-Regina-Martyrum in Berlin.
1964-1967 Das „körperlose Schweben mit den Schwingen und Fittichen“ taucht in seiner Malerei auf. Bis zu seinem Tod hält er an diesem Bildthema fest. Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in München. Verlässt diese nach öffentlichem Protest, nachdem ein ehemaliger Nazi-Künstler zum Professor berufen worden war. Purrmann-Preis, Speyer.
1967-1972 Präsident des Deutschen Künstlerbundes.
1969-1973 Ölbild: “Farbige Notizen zur Biographie des Bundeskanzlers Brandt“. Gestaltung des Hearing-Saales im Bonner Bundeshaus mit der „künstlerischen Ehrenchronik demokratischen Verhaltens“.
1971 Übersichtsausstellung zum 60. Geburtstag im Rheinischen Landesmuseum in Bonn.
1973-1974 Aufgabe der Casa Camuzzi und Umzug des Zweitwohnsitzes nach Schüller in der Eifel. Nach den “Schwingen und Fittichen“ kommt als neues Bildzeichen das „vereinzelte Efeu-Blatt“ auf. Zeichenhaft steht es für die „Einzigartigkeit des Menschen und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde“. Kulturpreis der Stadt Solingen. Monumentales Fresko-Wandbild in der „Meistermann-Halle“, Eingangshalle des ZDF-Sendezentrums, Mainz.
1975 Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz für „Kunst und Bau“.
1976 Vier Fenster für den Camposanto Teutonico der Vatikanstadt. Pensionierung. Lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Köln und in der Eifel.
1979 Beginn der bis 1986 andauernden Neugestaltung von St. Gereon zu Köln. Dieser große Fensterzyklus wurde für den Künstler zum „religiösen und künstlerischen Testament und zur Krönung seiner Lebensarbeit“.
1981 Übersichtsausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg anlässlich des 70. Geburtstages. Großes Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.
1982 Slevogt-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz.
1983 Wird per Senatsbeschluss Ehrenmitglied der Düsseldorfer Kunstakademie. Neben seinen Leistungen als Künstler und Lehrer soll Meistermann dadurch eine „Wiedergutmachung“ nach dem „politischen Hinauswurf als Student durch die Nationalsozialisten im Februar 1933“ erfahren. Fresken und Glasfenster für die Marienkapelle des Kölner Maternushauses.
1984 Romano-Guardini-Preis der Katholischen Akademie München.
1986 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Ernennung zum Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf.
1989 Verleihung des Staatspreises des Landes Nordrhein-Westfalen. Große Keramikwand mit Schwinge für das Bayreuther Arbeitsamt.
1990 Fenster für das Aachener Arbeitsamt, den St.-Paulus-Dom zu Münster und die Krankenhauskapelle von Laupheim, teilweise unvollendet. Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland. Am 12. Juni stirbt Meistermann.
1993 Georg-Meistermann-Stipendium für bildende Künstler/innen, erstmalig vergeben durch die Initiatorin Dr. Annette Schavan, damalige Leiterin des Cusanuswerkes, Bischöfliche Studienförderung.
1994 Eröffnung und Einweihung des Georg-Meistermann-Museums in Wittlich.
1995 Ausstellungsleiter Kay Heymer widmet Georg Meistermann die Ausstellung „Kunst in Deutschland – Werke zeitgenössischer Künstler aus der Sammlung des Bundes“ in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (13.7. – 8.10.1995). Die Gründung der Bundeskunstsammlung im Jahr 1971 geht auf Meistermann und sein über 20 Jahre langes, energisches Werben zurück. Seinen „Freund“ Willy Brandt konnte er für deren offiziellen Gründung als Bundeskanzler gewinnen und überzeugen. Aus der Bundeskunstsammlung ist die heutige Bundeskulturstiftung konzeptionell und programmatisch hervorgegangen.
2001 Gemeinsame Gedächtnisausstellung zum 90. Geburtstag von Georg Meistermann in Wittlich und in Solingen. Gründung des Freundes- und Fördervereines des Georg-Meistermann-Museums Wittlich, „Der Schwebende Punkt“. Mit der Gründung wollte man verhindern, dass der neu gewählte Wittlicher FDP-Bürgermeister Ralf Bußmer das Meistermann-Museum und die Kulturamtsleiterstelle abschaffen konnte, wie er es im Wahlkampf versprochen hatte.
2009 Der Wittlicher FDP-Bürgermeister Ralf Bußmer schafft 2009 auf geheim vorbereiteten und an den politischen Gremien vorbei geplanten Antrag der Wittlicher CDU und FDP, unter Leitung von Albert Klein (CDU) und Jörg Hosp (FDP), die Wittlicher Kulturamts- und Museumsleiterstelle ab, was zu lang andauernden, heftigen Protesten in der Öffentlichkeit führt. Zuvor hatte es der Museumsleiter, Meistermann-Enkel, Kunsthistoriker, Historiker und Nazi-Kunstexperte abgelehnt, dem Wittlicher Nazi-Künstler “Hanns Scherl eine unkritische, wissenschaftlich nicht aufgearbeitete und politisch instrumentalisierte Jubel-, Ehrungs- und Würdigungsausstellung“, die in ihren politisch instrumentalisierten Vorgängen gegen das im Grundgesetz geschützte Recht der „Kunst- und Wissenschaftsfreiheit“ verstoßen hatte, auszurichten.
2010 Wegen der „offiziellen Würdigung und städtischen Wittlicher Ehrung zum 100. Geburtstag des NSDAP-Parteimitgliedes Hanns Scherl (1910-2001), der sich als Bildhauer und Grafiker sein Leben lang nie von seiner Nazi-Kunst-Auffassung distanziert hat“, entzieht die Familie Meistermann der Stadt Wittlich das Recht, den Namen „Georg-Meistermann-Museum“ weiter zu führen. Über vier Jahre wurde seit 2007 in Deutschlands Medien über den „Wittlicher NS-Kunst-Scherl-Streit“ umfangreich berichtet. Der Wittlicher Stadtrat stimmt dem Namensentzug mit sehr großer Mehrheit zu. Anschließend richtet die Stadt Wittlich unter Leitung des neuen CDU-Bürgermeisters, Reserveoffiziers und „überzeugten Scherl-Verehrers“ Joachim Rodenkirch über mehrere Monate und mit sehr großem Aufwand die „Jubiläums-, Ehrungs- und Würdigungsfeierlichkeiten” für den Wittlicher Künstler Hanns Scherl im inzwischen abgeschafften Georg-Meistermann-Museum aus.
2011 Große Wanderausstellung zum 100. Geburtstag von Georg Meistermann mit neustem, umfangreichem Katalog, „Das Leben des Menschen ist eingehüllt in Farbe“, in den Kunstmuseen Solingen, Bayreuth und Linnich. Gründung in Wittlich der „Georg-Meistermann-Gesellschaft – Kritisches Forum für Kunst, Kultur und Fragen der Zeit“ unter der Schirmherrschaft der Frankfurter Psychoanalytikerin Dr. Margarete Mitscherlich.
Zahlreiche Schriften, Aufsätze, Vorträge, Interviews und Kataloge von und über Georg Meistermann liegen vor.
© Dr. Justinus Maria Calleen
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